Kauf nichts!

Weil der Amerikaner heute für gewöhnlich kauft wie blöde, haben vor elf Jahren ein paar Revoluzzer den Buy nothing day erfunden. Ein Tag an dem man Nichts kaufen soll. Ich war deshalb schon zeitig im städtischen Einkaufszentrum und habe Menschen gesucht, die Nichts in ihren vollgepackten Tüten rausschleppen. Groß natürlich mein Entsetzen: Kein Mensch hat Nichts gekauft! Alle haben etwas gekauft. Und welche Mengen davon. Auf Nachfrage, ob er denn überhaupt Nichts verkaufe, war auch der Marktleiter hemmungslos überfordert und ließ mich sehr unhöflich von solchen unförmig gebauten Sicherheitsgorillas hinauseskortiert. Was für eine Pleite!

[Paul]

Film über nichts

Dieser Mann denkt an nichtsVerschlug es mich doch unlängst ins Kino – was ja so oft auch nicht vorkommt. War ich doch sehr überrascht, dass das, was als “Kriminalkomödie” beworben wird, sich als waschechter Film über das Nichts herausstellt. Wird dort doch ein unglaubliches Gewese über eine vermeintlich hochbrisante CD mit Agenten-Infos gemacht, Menschen sterben, leiden, verzweifeln, verhalten sich wie Deppen und machen sich unmöglich und in zwei kurzen Szenen gegen Ende implodiert das alles im tiefsten Nichts. Als in diesen Szenen ein schlicht “CIA Officer” betitelter Mensch seinem schnöde “CIA Superior” bezeichneten Vorgesetzten versucht, den Schlamassel transparent zu machen – und dieser das ganze Getriebe höchst treffend als “Cluster-Fuck” bezeichnet – und naturgemäß scheitert, kommt das ganz große Nichts im abschließenden Resümée des Chefs:
“Was lernen wird daraus? Den gleichen Fehler nicht nochmal zu machen. Aber welchen Fehler haben wir eigentlich gemacht?”
Selten habe ich mehr über Menschen gelacht, die absolut nichts wissen.

[Paul]

Nichts zu lesen (2)

Peter Glaser: Geschichte von NichtsPeter Glaser: Geschichte von Nichts. Erzählungen. (Kiepenheuer & Witsch) Köln 2003.

Dass einer, der Peter Glaser heißt, über Nichts schreibt, verwundert nicht. Dass einer, der an Peter Glaser schreibt, nichts denkt, schon eher. Aber darum soll es hier nicht gehen, sondern um ein weiteres Nichts-Buch, die “Geschichte von Nichts” von Peter Glaser.

Das dumme daran ist, dass es nicht nur schon ziemlich bekannt ist, sondern auch schon x-mal besprochen wurde. Was, bitteschön, soll man noch schreiben, wenn schon die Überschriften der Amazon-Kritiken eine in sich lesbare Eloge ergeben: “Wunderbares Buch”, “Für Gourmets der deutschen Sprache”, “Unentbehrlich!” Etwa einen Verriss?

Viel einfacher. Man sucht in dem Buch nach nichts und findet dabei seine verwirrende Essenz – den postmodernen Alltag, peinlich genau seziert in einer blutstockend virtuosen Sprache.

Ein Anschein von Licht lag auf dem Bildschirm, darin schwamm der Mauspfeil, am Rand von nichts.

Man liest automatisch langsamer, um die Bilder, die Geräusche, die Gefühle in sich nachbauen zu können.

In der Stadt nahm uns ein Kaufhaus mit seinen gläsernen Flügeltüren aus der Kälte. Schilfgrassträuße lagen neben Hemdenstapeln, leise klickten Kleiderbügel an Chromstangen, und am Ende des großen Raums transportierte eine Rolltreppe Stufe für Stufe Nichts herauf.

Und ist schließlich nicht im geringsten überrascht, einem bedenklichen Humor zu begegnen.

“Da ist irgendwas”, sagte Stella.
“Da isch überall etwasch”, sagte ich und ließ meine Oberlippe los. “Das ist das Schöne an der Realität. Stell dir vor, an einer Stelle wäre nichts. Du hättest sofort die Wohnung voller Philosophen.”

[Paul]

1000 Tage Archiv des Nichts

Folgende freundliche Mail des Nichtskünstlers Stephan US (Bild) aus Münster, der dort das Archiv des Nichts betreibt, geben wir hiermit gerne der interessierten Öffentlichkeit zu bedenken:

Am 9. Dezember 2005 stand das Archiv des Nichts das erste Mal aufgebaut in meinem Atelier. Leer. Nun feiert das Archiv seinen 1000-tägigen Geburtstag und es ist groß geworden. Von der absoluten Leere ist es in dieser Zeit auf seinen Reisen zu einer Fülle des Nichts mit über 750 Beiträgen aus der ganzen Welt gewachsen.

NichtsarchivkopfJetzt ist es an seinen Geburtsort zurückgekommen um für 10 Tage Geburtstag mit Ihnen zu feiern. Kommen Sie und forschen Sie in der Fülle des Nichts. Natürlich können Sie auch in dieser Zeit Geburtstagsgeschenke vorbeibringen: Bringen Sie einfach ihr ganz persönliches Nichts für das Archiv mit!

Und als besonderes Schmankerl wird während der Öffnungszeiten die carte blanche ausgerufen. Sie ist der Raum für Ihre spontanen Aktionen und Darbietungen rund um das Thema Nichts, Stille, Leere, Abwesenheit, Schweigen oder den anderen verwandten Bereichen des Nichts.

Herzlichst Stephan US

Und hier nochmal kurz zusammengefasst:

4.- 13. September 2008
Öffnungszeiten: täglich 15 – 19 Uhr, Montags geschlossen

6. September, Lange Nacht der Museen und Galerien 16 – 23 Uhr

Archiv des Nichts
Speicher II | Atelier 2.8 | Hafenweg 28 | 48155 Münster

[Paul]

Nichts, was es nicht gibt (2)

Man könnte diese Rubrik allein mit deutschen Museen füllen. Tun wir aber nicht. Es wäre viel zu billig, Museen wie die Lutherstiege in Augsburg, die Puppentheatersammlung Dresden, das Arithmeum in Bonn, Bagger 1452 bei Berzdorf, das Deutsche Kartoffelmuseum in Fußgönheim, das Deutsche Knopfmuseum in Bärnau, das Deutsche Hygienemuseum oder das Deutsche Steuermuseum aufzuführen, um anschließend auszurufen: “Aber hallo! Dafür gibt es wirklich und wahrhaftig ein Museum?”

Hingegen freue ich mich wirklich und wahrhaftig, das deutsche Fliesentischmuseum entdeckt zu haben, und wundere mich überaus, dass es dieses noch gar nicht so lange gibt.

Fliesentisch


Der Fliesentisch – oder FT, wie der Fachmann sagt – war in den Siebzigern der Brüller, wanderte in den Achtzigern ins Kinderzimmer, wurde in den Neunzigern zum Beistelltisch im Bastelkeller degradiert und erblickt heute im deutschen Unterschichtenfernsehen wieder das Licht der Welt. Ob “Supernanny”, “Schwiegertochter gesucht” oder “Familie mit Herz” – man hat das Gefühl, dass besonders RTL den Fliesentisch ins Herz geschlossen hat.

Zum Glück kann der kulturhistorisch interessierte Fliesentischfreund seine Freude an diesem spannenden Haushaltsobjekt ausleben, ohne Nachmittage vor der Glotze zu verbringen, denn das deutsche Fliesentischmuseum ist rund um die Uhr geöffnet: Im Internet.

Fliesentischmuseum


Wer auf Fliesentischfreunde herabblickt, weil er sie als sozial tiefstehend oder minderbemittelt betrachtet, dem sei gesagt, dass auch der Jetset den Fliesentisch schon längst wieder entdeckt hat. Ein Blick ins Trendmagazin “Living at home” zeigt den Fliesentisch in seiner ganzen postmodernen Pracht.

[Paul hat’s im Abfallkalender gefunden.]

Nichts-Zitate (8)

“Nichts ist ohne sein Gegenteil wahr.”

Martin Walser

Martin Walsers “Hausmachersatz” wird gerne über sein Lebenswerk gestellt – aber auch von ihm selbst in ganz anderem Kontext verwendet.
Interessanterweise lassen sich solche Drehwurmsätze besser lesen, wenn man die Wortbetonung bewusst verändert:

Nichts ist ohne sein Gegenteil wahr.
Nichts ist ohne sein Gegenteil wahr.
Nichts ist ohne sein Gegenteil wahr.
Nichts ist ohne sein Gegenteil wahr.
Nichts ist ohne sein Gegenteil wahr.
Nichts ist ohne sein Gegenteil wahr.

[Paul]

Nichts im Bild (2)

Nixpix
T.U.T.B.S. 8
Originalbild von _dix_ (Lizenz: creative commons)

Dieses Bild aus Christian Wöhrls Serie “There Used To Be Something” gefällt mir besonders gut, weil es gleich mehrere Geschichten erzählt. Die Dübellöcher weisen darauf hin, dass seit der letzten Hausrenovierung mehrere Firmen ein- und ausgezogen sind, beim letzten Anstrich aber nur das Schild abgeklebt wurde. Ob das Gesicht des unbekannten Künstlers schon länger existiert als die letzte Firma, bleibt aber unklar.

[Paul]

Nichts gesehen

nichtssehen1.jpg
Ich weiß nicht, weshalb sich dieser Mensch hier so aufregt. Da kriegt er schon mal statt einer schnöden Halbfinals-Kickerei das NICHTS zu sehen und möchte auch noch, dass ihm dieser außerordentlich seltene Anblick noch durch Reportergequatsche vermiest wird. Diese sich viral verbreitende Undankbarkeit finde ich nicht sehr schön.

[Peter]

Nichts im Bild (1)

Wann werden Wünsche wirklich wahr? Manchmal ganz hurtig: Kaum hat Peter sich die Ablichtung des Nichts gewünscht und unser letzter Nichtsblog-Gast versprochen, sich darum zu kümmern, schon ist es da, das Bild von Nichts:

There Used To Be Something (1)
Originalbild von _dix_ (Lizenz: creative commons)

Das bringt mich zu einer Frage, die mir überraschenderweise noch nie in den Sinn kam: Ist Nichts schlicht die Abwesenheit von etwas? Nicht etwa das Negativum von Etwas – vergleichbar mit Antimaterie -, sondern vielmehr das Nichtvorhandensein nach vorherigem Vorhandensein? So könnte an dieser Stelle, wie der Fotograf vermutet, eine private Kleinanzeige gehangen haben, vielleicht aber auch nur die Ecke eines riesigen Plakates oder gar der Klebetropfen einer papiernen Parallelwelt. Ich bin beeindruckt und wünsche mir weitere Bilder, die mich solches denken lassen könnten.

[Paul]

PS: Klingt “_dix_” nicht wunderbar nach “Pics” und “Nix”?
PPS: Ich ernenne _dix_ aka Christian Wöhrl hiermit zu unserem Haus- und Hoffotografen und ermächtige Peter dazu, ein entsprechendes Banner zu kreieren. Leider weiß ich nur, dass es sowas gibt, nicht hingegen, wie es herzustellen ist.

Weltweit nichts (3)

Nüüß
Nüüß eßß en Aachen, Heinsbersch, en Jlatbach un anderswo dat, wo de Kölsche un de Düsseldorwer nix saaren. Dat is akurat et jejndeejl vun Allet. Ejal wat och mer hät, wemmer davun allet fottnimmpt, dann hät mer akurat nüüß övverich.

Jaanix hüert sich aan, wi wenn et en besönders nix wöör, ävver winnijer wie nüüß jidd_et nit, allso eß jaanüüß schlijj_un äijnfarr_et sellve wie nüüß. Do kannß_De nix maache.

Das war ripuarisch.

[Paul]

Nichts-Zitate (5)

Nil homini certum est.

Ovid

Ich möchte dieses Zitat zum Anlass nehmen, die aktuelle Diskussion über Gottesbeweise, Fightclub-Phantasien und Wer-ist-wessen-Schöpfung zu beenden, um gleichzeitig eine friedliche Ko-Existenz vorzuschlagen. Auf Neudeutsch würde man das “Coopetition” oder gar “proaktive Synergiengenerierung” nennen.

Kurz: Warum sollten die Dia-Blogger nicht behaupten dürfen, sie hätten uns erfunden? Wir können’s nicht widerlegen, sie können’s nicht beweisen. Warum sollten wir nicht Werbung für das Buch machen, das ja im Wesentlichen von uns geschrieben wurde? Sie machen schließlich auch Werbung für uns.

Ich sehe das vor allem im Sinne des obigen Zitates und löse hiermit für alle Nichtlateiner auf:

Nichts ist dem Menschen sicher.

Und das ist gut so.

[Paul]

Wir sind nichts.

Wenn ich manchem Kommentator glauben darf, gibt es uns wirklich.

Wenn ich Peter richtig verstehe, zweifelt er daran. Und hat gute Argumente dafür.

Wenn ich dem Dia-Blog glaube, dann gibt es Peter und mich gar nicht. Ich wurde erfunden als Figur in einem Buch und existiere nur im Denken und Handeln eines anderen, heiße er jetzt Eder oder Brenner. Selbst diese Zeilen schreibe ich nicht selber, sondern jemand anderes tut es für mich.

Diese Vorstellung ist zutiefst deprimierend und führt einen zu den letzten Winkeln von Philosophie und Religion

Auf der anderen Seite hat das Leben als literarische Figur auch Vorteile:
– Unangenehme Dinge können rückgängig gemacht werden.
– Man kann berühmte Leute treffen. Gerade eben zum Beispiel, hier im Internetcafé, habe ich Hans Meiser kennen gelernt, obwohl der schon seit 50 Jahren tot ist – nur weil mein Autor sich dies ausdachte. [Ok, eigentlich wollte ich weder diesen noch den anderen Hans Meiser kennenlernen. Aber das kann ja auch rückgängig gemacht werden:] Ich habe Hans Meiser gar nicht kennengelernt. Das habe ich nur geträumt. [Siehst Du?]
– Man kann selbst berühmt werden. Wie die Brüder Karamasow, Karl Rossmann oder Kara Ben Nemsi.
– Man ist unsterblich.
– Man kann fliegen.

Das Unangenehme daran ist natürlich, dass man all dies naturgemäß nicht selbst bestimmen kann. Gott [sic!] sei Dank entwickeln erdachte Figuren oftmals ein Eigenleben. Eine reizvolle Vorstellung. Und eine Herausforderung.

Aber letztlich ist es doch eine Glaubensfrage, die hier verhandelt wird: Gibt es meinen Schöpfer wirklich?

Ein Gottesbeweis wäre einfach.

Zusammenfassung

Unsere gerechte Empörung in Ehren, lieber Peter, aber wir sollten eines nicht vergessen: Die Leser dieses unseren Blogs fragen sich möglicherweise, was hier eigentlich los ist und warum wir uns dergestalt echauffieren. Ich halte es daher für angemessen, den Uneingeweihten eine Zusammenfassung des Geschehens anzubieten. Ironischerweise ist dies exakt in dem von uns inkriminierten Büchlein zu finden, denn es enthält ja genau den Briefwechsel, um den es geht.

Peter und ich, Paul, hatten uns in den vergangenen Monaten und Jahren die Mühe gemacht, unsere Gedanken zum Thema “Nichts” auszutauschen. Dies geschah in einem ausführlichen Briefwechsel, in dem durchaus auch Privates verhandelt wurde. Dabei waren wir bemüht, das Thema von allen Seiten zu beleuchten und darüber hinaus in Form von Listen zu fassen. Dies sollte es gegebenenfalls ermöglichen, unsere Texte verlegerisch aufzubereiten und eventuell in Buchform zu fassen.
Da es aufgrund widriger äußerer Umstände nicht nur geschah, dass wir uns für einige Zeit aus den Augen verloren, sondern auch besagter Briefwechsel irrigerweise aus unserer beider Hände gegeben wurde, sahen wir uns – wiewohl wir uns durch pures Glück im vorliegenden Blog wiederfanden – nicht imstande, den ursprünglich gefassten Gedanken an eine Publikation zum Thema “Nichts” zu einem glücklichen und gebundenen Ende zu führen.
Dass wir diesen unseren Briefwechsel nun in Buchform wiederfinden, ist umsomehr ein Schlag ins Gesicht jedes einzelnen von uns, als keiner von uns jemals etwas von diesen “Herausgebern” gehört hat. Wir fragen uns daher ernsthaft: Wer sind diese Herren Brenner und Eder? Was treibt sie an? Wie gelangten sie in den Besitz unserer wertvollen Briefe? Wie konnten sie es wagen, diesen privaten Schatz an die Öffentlichkeit zu zerren? Und: gibt es diese Personen überhaupt?

[Paul]

PS ad Peter: Was hältst Du davon, wenn wir uns über Pfingsten träfen, um das Problem unter vier Augen zu besprechen?

Weltweit nichts (2)

Néant
La notion de néant est directement et indissociablement liée à la notion d’existence. Évoquer le néant revient à révoquer l’existence et réciproquement. Le néant est un substantif définissant, selon l’usage, soit un état soit un caractère, l’article suivant s’attache à expliquer ces deux aspects. Définitions : 1. Le néant est la non-existence, c’est-à-dire le non-être. Il s’agit d’un état d’inexistence. 2. Le néant est le caractère de ce qui n’existe pas, du non-être ou de ce qui est inexistant. Étymologie : néant vient du latin populaire negens tiré lui-même de ne gentem qui signifie « personne ».

Das war Französisch.

[Paul]