Nichts-Zitate (31)

Island. Seine Menschen, das Meer, die Berge. Schnaps, Religion, Fischfang. Der Pfarrer, der Auswanderer, die Fischausnehmerinnen. Die Ankunft der Zukunft. Hallgrímur Helgasons Roman „60 Kilo Sonnenschein“ erzählt aus dem Leben der Isländer vor 120 Jahren und warum sie sind, wie sie sind. Großartig, witzig, bedrückend. Und nebenbei fallen sprachliche Perlen aus dem Erzählersack.

Historische Ereignisse gehen meist langsam und zugleich schnell vor sich. Sie haben Vorzeichen, auf die niemand achtet und sie schwimmen untergetaucht, bis sie am richtigen Datum ihren historischen Kopf aus dem Wasser heben. Nichts geschieht aus dem Nichts. Wenn man Geschichte aus der Distanz betrachtet, wird erkennbar, dass kein bedeutendes Ereignis im Fluss der Zeit vollkommen unsichtbar bleibt, die Menschen wurden vorgewarnt, doppelt und dreifach, aber das ist vergraben und vergessen, wenn die historische Stunde schlägt. Dann trifft es sie alle unvorbereitet. Gelähmt vor Staunen stehen die Menschen vor dem Großereignis, das in den Stiefeln der Geschichte majestätisch an Land steigt, groß und blond, salz- und wettergebräunt, gutaussehend, den Männern zieht es im Unterleib und die Frauen bekommen weiche Knie.“

Hallgrímur Helgason: 60 Kilo Sonnenschein



Titelbild von "60 Kilo Sonnenschein"

[Peter]

Universum von Nichtsen

Auf der einen Seite ist der Prahlhans da, und der möchte gern genießen. Auf der anderen Seite steht das Bewusstsein, ein Nichts in einem Universum von Nichtsen zu sein. Diese Demut, die habe ich absolut. Ich habe gelernt, dass es sinnlos ist, sich irgendwo „finden“ zu wollen. Man muss das annehmen, was man hat.

Herbert Feuerstein
[gefunden im Rabenkalender am 4.12.2020]

In Memoriam Herbert Feuerstein

[Paul]

„Roland Barthes hat in seinem Buch …

das Reich der Zeichen auf die wesentliche Zentrumslosigkeit der japanischen Stadt-Kultur verwiesen: so kreist die japanische Hauptstadt um einen verbotenen und indifferenten Ort, ein „heiliges ‚Nichts'“ – den Kaiserpalast (…)“

aus: Maidan Tahrir Taksim. Die Sprache der Plätze. Protest, Aufbruch, Repression. Von Jürgen Wertheimer, Isabelle Holz, Florian Rogge. by marixverlag in der Verlagshaus Römerweg GmbH, Wiesbaden 2017

[Paul]

Fast nichts machen

Jens Risch verbringt seit 17 Jahren seine Tage damit, Knoten in hauchdünne Seidenfäden zu knüpfen – und sagt, er könne glücklicher nicht sein. Krautreporterin Esther Göbel hat ihn besucht.

„Es ist nicht möglich, nichts zu machen – aber je weniger ich mache, also je näher ich am Nichts bin, desto näher komme ich an die eigentlich wichtigen Sachen heran. Nicht das Viele ist für mich spannend, sondern die Konzentration auf das Wenige.“

Man kann Jens Risch auch beim Knoten zusehen. Und was dabei entsteht.

Es ist nicht Nichts.

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[Peter]