Nichts zu lesen (2)

Peter Glaser: Geschichte von NichtsPeter Glaser: Geschichte von Nichts. Erzählungen. (Kiepenheuer & Witsch) Köln 2003.

Dass einer, der Peter Glaser heißt, über Nichts schreibt, verwundert nicht. Dass einer, der an Peter Glaser schreibt, nichts denkt, schon eher. Aber darum soll es hier nicht gehen, sondern um ein weiteres Nichts-Buch, die “Geschichte von Nichts” von Peter Glaser.

Das dumme daran ist, dass es nicht nur schon ziemlich bekannt ist, sondern auch schon x-mal besprochen wurde. Was, bitteschön, soll man noch schreiben, wenn schon die Überschriften der Amazon-Kritiken eine in sich lesbare Eloge ergeben: “Wunderbares Buch”, “Für Gourmets der deutschen Sprache”, “Unentbehrlich!” Etwa einen Verriss?

Viel einfacher. Man sucht in dem Buch nach nichts und findet dabei seine verwirrende Essenz – den postmodernen Alltag, peinlich genau seziert in einer blutstockend virtuosen Sprache.

Ein Anschein von Licht lag auf dem Bildschirm, darin schwamm der Mauspfeil, am Rand von nichts.

Man liest automatisch langsamer, um die Bilder, die Geräusche, die Gefühle in sich nachbauen zu können.

In der Stadt nahm uns ein Kaufhaus mit seinen gläsernen Flügeltüren aus der Kälte. Schilfgrassträuße lagen neben Hemdenstapeln, leise klickten Kleiderbügel an Chromstangen, und am Ende des großen Raums transportierte eine Rolltreppe Stufe für Stufe Nichts herauf.

Und ist schließlich nicht im geringsten überrascht, einem bedenklichen Humor zu begegnen.

“Da ist irgendwas”, sagte Stella.
“Da isch überall etwasch”, sagte ich und ließ meine Oberlippe los. “Das ist das Schöne an der Realität. Stell dir vor, an einer Stelle wäre nichts. Du hättest sofort die Wohnung voller Philosophen.”

[Paul]

Wir sind nichts.

Wenn ich manchem Kommentator glauben darf, gibt es uns wirklich.

Wenn ich Peter richtig verstehe, zweifelt er daran. Und hat gute Argumente dafür.

Wenn ich dem Dia-Blog glaube, dann gibt es Peter und mich gar nicht. Ich wurde erfunden als Figur in einem Buch und existiere nur im Denken und Handeln eines anderen, heiße er jetzt Eder oder Brenner. Selbst diese Zeilen schreibe ich nicht selber, sondern jemand anderes tut es für mich.

Diese Vorstellung ist zutiefst deprimierend und führt einen zu den letzten Winkeln von Philosophie und Religion

Auf der anderen Seite hat das Leben als literarische Figur auch Vorteile:
– Unangenehme Dinge können rückgängig gemacht werden.
– Man kann berühmte Leute treffen. Gerade eben zum Beispiel, hier im Internetcafé, habe ich Hans Meiser kennen gelernt, obwohl der schon seit 50 Jahren tot ist – nur weil mein Autor sich dies ausdachte. [Ok, eigentlich wollte ich weder diesen noch den anderen Hans Meiser kennenlernen. Aber das kann ja auch rückgängig gemacht werden:] Ich habe Hans Meiser gar nicht kennengelernt. Das habe ich nur geträumt. [Siehst Du?]
– Man kann selbst berühmt werden. Wie die Brüder Karamasow, Karl Rossmann oder Kara Ben Nemsi.
– Man ist unsterblich.
– Man kann fliegen.

Das Unangenehme daran ist natürlich, dass man all dies naturgemäß nicht selbst bestimmen kann. Gott [sic!] sei Dank entwickeln erdachte Figuren oftmals ein Eigenleben. Eine reizvolle Vorstellung. Und eine Herausforderung.

Aber letztlich ist es doch eine Glaubensfrage, die hier verhandelt wird: Gibt es meinen Schöpfer wirklich?

Ein Gottesbeweis wäre einfach.