Vielleicht ist das Nichts das Wahre, und all unser Träumen hat kein wirkliches Sein.
Marcel Proust
Vielleicht ist das Nichts das Wahre, und all unser Träumen hat kein wirkliches Sein.
Marcel Proust
Ob der Sommer des Jahres 1981 besonders heiß war, weiß ich nicht. Aber der Tag, an dem ich im örtlichen Plattenladen* meine erste Punkscheibe erstand, der war heiß. Da ich noch anderes in der Stadt vorhatte, deponierte ich das neu erworbene Stück in meinem Auto. Das Ergebnis war eine Mischung aus physikalischen und chemischen Gesetzmäßigkeiten und sah von der Seite betrachtet aus wie eine schwarze freak wave (für dich, Paul: ein Kaventsmann). Das faszierende daran aber war: Sofern man es geschafft hatte, den Tonabnehmer ohne Unfall in einem Wellental aufzusetzen, lief die Platte trotzdem ohne Murren und Jaulen rund. Und brachte so schöne Lieder wie “Für Elli” (Beethoven drehte sich bei jedem Abspielen im Grab rum) oder “U-Haft” (“letzte nacht hatten wir das labern satt, wir wollten ein auto klauen, um damit abzuhauen. die bullen sind gekommen und haben uns festgenommen”) in den Gehörgang.
Die Band kam aus Düsseldorf, hieß KFC und zeichnete sich nach eigenen Angaben dadurch aus, dass sie die “Band mit den kürzesten Schwänzen” sei. KFC stand im übrigen weder für ein Franchise-Systemgastronomie-Unternehmen noch für einen Krefelder Fußballclub, sondern war eine Abkürzung für “Kriminalitätsförderungsclub” – nicht ganz zu Unrecht: Der KFC hielt den größeren Teil der damaligen Punkszene für dekadent und verkopft und gab sich daher betont prollig, erging sich in Alkoholexzessen und liebte Schlägereien im Konzertpublikum.
Gründungsmitglied und Sänger Trini Trimpop wurde später als Drummer und Manager der Toten Hosen bekannt, während Drummer Fritz Fotze (bürgerlich: Tobias Brink) und Gitarrist Micki Matschkopf (bürgerlich: Michael Clauss) nach ihrem Ausstieg beim KFC eine neue Band gründeten. Ihr Name: Nichts.
[Peter]
* Für die jüngeren unter uns: Damals hießen CDs noch “Schallplatte”, waren aus einem schwarzen Kunststoff namens “Vinyl” und verbogen sich jämmerlich, wenn man sie zu lange in der Sonne ließ. Musik klaute man damals, indem man diese Platten auf einem so genannten Plattenspieler abspielte und gleichzeitig das Ergebnis mit einem Kassettenrecorder** aufnahm.
** Für die jüngeren unter uns: Kassettenrecorder … ach was, vergiss es!
*** Literaturempfehlung: “Verschwende Deine Jugend” von Jürgen Teipel. Der “Doku-Roman” erzählt die Geschichte des deutschen Punk und New Wave aus Sicht der Beteiligten und ausschließlich per Interview-Zitat.
Manchmal hat dieses Nichts doch der Teufel gesehen. Ständig ist es immer und überall. Nichtsahnend schlenderte ich zum Beispiel unlängst bei einer meiner kleinen Streunereien, die mir der Hausarzt so dringend empfohlen hat (das Alter!) durch das schöne Dörflein Spitzispui und fand folgendes an eine Hauswand geschrieben.
“Sag nichts hinein,
Sag nichts hinaus,
so bleibt der Fried
in meinem Haus”
Nicht etwa, wie ihr jungen Leute das nennt, als Graffiti, oder eine ähnliche Sudelei. Sondern in Schönschrift und wahrscheinlich von einem Menschen da hin appliziert, der das als letzter seiner – natürlich aussterbenden Zunft – noch kann. Und dann noch solche markigen Sprüche drauf hat.
Jetzt aber: Wie soll ich diesen Spruch verstehen? Als Maulkorb? Wohnt da gar ein Eremit? Nichts zu sagen, das finde ich unhöflich, wenn nicht gar unmenschlich. Oder verstehe ich das nicht, was hier gemeint ist?
[Paul]
Was es nicht alles gibt! Bin ich doch auf einem meiner Streifzüge durchs Internet hier gelandet. Das ist gleich ein doppelter Nichtsbezug! Einmal erkennt man ja als Laie erfahrungsgemäß auf Ultraschallbildern rein gar nichts. Das sieht meist aus wie ein verunglückter Nachtisch oder eine unheilvolle Wolkenformation. Andererseits wird damit ein Spruch meines äußerst abgebrühten Opas (Gott hab ihn selig) wieder sehr sinnfällig: “Nichts, was es nicht gibt”, sagte der immer, wenn etwa ein besonders großer Traktor an ihm vorbeifuhr. Oder ein Maisblitz, der gleich zwei Reihen auf einmal absäbelt. Das ist jetzt sehr agrarisch gedacht. Er war halt Landwirt. Aber lässt sich ja heute auf alles übertragen. Hier also: Sündhaft teure auf Leinwand gezogene Bildchen (29 Euro für 15×12 Zentimeter), auf denen in absurder Farbgebung in zwölf Tönen, mit so fantasievollen Namen wie “Frühling” oder “Lolli” (im Bild), nichts erkennbares abgebildet ist.
[Peter]
Zugegeben, das gehört nicht hierher, weil es nicht um nichts, sondern um niemand geht. Trotzdem:
[via dasistdasen.de via trufx]
[Peter]
Die Plakatwände in Berlingen! Es ist die Hölle! Wirklich fast aus dem Nichts kommt doch jetzt etwas, von dem man denkt, dass sich kein Schwein mehr dafür interessiert: Die drei ??? mit dem tönenden Hörspiel: “Spur ins Nichts”. Natürlich wieder marktschreierisch überall hingekleistert. Das ist doch dermaßen alter Kram, dass selbst du, lieber Paul, das noch aus der Kinderstube kennen dürftest. Und jetzt haben die die Sprecher-Mumien nochmals reanimiert, in ein Studio gezerrt und sie drei neue Hörspiele dieser jugendlichen Schlaumeier-Detektive aufsprechen lassen. Und natürlich führt diese Spur wieder nicht ins Nichts, sondern endet irgendwo. So wie jede Spur. Und dieser Titel wird ja überhaupt überall und völlig inflationär verwendet. So hier bei Starsky & Hutch, oder hier von dir selbst angezettelt , oder wie die erste Folge (also die nach dem Piloten) von “Twin Peaks”. Also wieder nichts Substanzielles zum Nichts. Vielleicht ist es dann ja doch gut, dass unsere Briefe verschollen sind.
[Peter]
PS: Warum meldest du dich eigentlich seit Tagen nicht mehr?
Meine Suche nach dem Wort “Paralogik” brachte mich unversehens an einen Ort, dessen Existenz ich bis vor fünf Minuten zutiefst bezweifelt hätte. Aber er existiert: Die Perrypedia. Nach dem Vorbild der Wikipedia entsteht hier gerade ein Perry-Rhodan-Nachschlagewerk, das von Fans erstellt wird und derzeit schon über 13.000 Artikel umfasst. Natürlich suchte ich auch hier sofort nach “nichts”. Zwar gibt es hierfür kein eigenes Lemma, dafür erscheinen aber z.B. Perry-Rhodan-Titel, die “Nichts” enthalten. Hier eine kleine Auswahl:
Perry-Rhodan-Titel (Band-Nummer, Zyklus, Autor, erstmalig erschienen)
1. Mensch aus dem Nichts (809, BARDIOC, Hans Kneifel, März 1977)
2. Spur ins Nichts (2330, TERRANOVA, Arndt Ellmer, 14. April 2006)
3. Rückkehr aus dem Nichts (59, Atlan und Arkon, Kurt Mahr, 19. Oktober 1962)
4. Im Nichts gestrandet (324, M 87, Clark Darlton, November 1967)
5. Impulse aus dem Nichts (878, PAN-THAU-RA, Ernst Vlcek, Juni 1978)
6. Sie kamen aus dem Nichts (500, Der Schwarm, K. H. Scheer, 20. April 1971)
7. Sternstation im Nichts (201, Die Meister der Insel, Kurt Mahr, 9. Juli 1965)
8. Kommandos aus dem Nichts (1034, Die Kosmische Hanse, H. G. Francis, Juni 1981)
9. Barriere im Nichts (1406, Die Cantaro, Robert Feldhoff, August 1988)
10. Am Rande des Nichts (1067, Die Kosmische Hanse, H. G. Francis, 1. Februar 1982)
[Paul]
In unserem sonst so ruhigen Bloggersdorfer Stadtviertel ist heute ein Kommen und Gehen, wie ich es noch nicht erlebt habe. Zuerst dachte ich, Simon zieht aus und hätte Unmengen von Umzugslastern bestellt. Aber das Gegenteil ist der Fall. Er hat nebenan ein neues Blog aufgemacht, bei dem jeder, der vorbeikommt, über alle mögliche Thesen abstimmen kann. Und – noch besser! – jeder darf auch selbst Thesen aufstellen, über die dann die anderen abstimmen. Seither geht’s die Straße rauf und runter, runter und rauf. Einige stoßen vor Begeisterung spitze Schreie aus. Andere kleben mit ihren Nasen am Blogscheibenfenster, mit dem Finger auf der F5-Taste und stimmen über alles ab, was frisch reinkommt. Und Luzie ist außer Rand und Band.
Leider sind die Thesen, in denen es um Nichts geht, (bisher) nicht dazu geeignet, unser Anliegen voranzutreiben. Daher dachte ich mir, ich geh mal rüber, stelle selber eine Nichts-These auf und schaue, was passiert. Nach 10 Sekunden sieht die Abstimmung so aus (ich verrate jetzt nicht, wofür ich gestimmt habe):
Zwei Minuten später steht das Patt immer noch:
Dann tut sich lange Zeit nichts, bevor sich die Waage langsam zum “Nein” neigt:
Aber jetzt muss ich leider ins Bett. Morgen mehr.
[Peter]
[via dasistdasen.de via jamade]
Nach langem und intensivem Nachdenken, ist mir die siebte Liste wieder in den Sinn getreten. Ich glaube zwar nicht, dass sie vollständig ist, aber unsere fleißigen Leserinnen und Leser können ja dazu beitragen, ihr den letzten Schliff zu geben. Diese Liste ging etwa so:
Was nichts bedeutet:
1. Ein Silvester-Vorsatz fürs neue Jahr
2. Ein Hund, der bellt
3. Ein Regierungsversprechen
4. Eine einsame Schwalbe
5. Eine schwarze Katze von links
6. Ein 0:0 zur Halbzeit
7. Ein Kostenvoranschlag der Autowerkstatt
Mindestens drei sollten wir doch noch zusammen kriegen!
[Paul]
Also ich weiß auch nicht: Würden diese Menschen ihr Geld wie ich unterm Kopfkissen bunkern, dann würden sie nicht Opfer dieser blöden Börsenhysterie. Sogar so manches Deutsche-Mark-Bündel habe ich da noch schlummern. Und hier im schönen Prinzenberg wird das auch allerorten noch akzeptiert.
Und dann rät ein so genannter “Finanzexperte” dem “Normalanleger” (gibt es dieses Wort überhaupt?) auf der tagesschau.de-Seite auch noch, “nichts”. Ist das jetzt ein April-Scherz? Ein Experte, der nichts rät. Das ist doch eine Bankrott-Erklärung ans Expertentum. “Pfui”, sage ich da nur.
[Paul]