Das, mein lieber Paul, wird dich umhauen.
1. Mai ist mein Städtetag. Ungeachtet aller Maispaziergänger, Demonstr- oder Krawallanten nehme ich mir an diesem Tag Zeit für eine neue Stadt. Reise gerne am Vorabend an, um als gut gelaunter Beobachter hier und dort das Aufrichten eines Maibaumes zu verfolgen, frauenbewegten Hexen auf dem Weg zur Walpurgisnacht gewandt auszuweichen und gelegentlich sogar einen ausgelassenen Tanz in den Mai zu goutieren. Obgleich es hierbei oft spät wird, stehe ich stets früh auf und beginne den Tag mit einem Käffchen in einem Cäffchen.
So auch in diesem Jahr, in dem die Wahl auf ein beschauliches schwäbisches Städtchen gefallen war, das mit pittoresken Fachwerkhäuschen sowie einem richtigen Schloss versehen ist und sogar eine Universität sein eigen nennt. Meinen Morgenkaffee nahm ich am schmucken Marktplatz ein. Das ganze Städtchen schien noch in einer Art Dornröschenschlaf zu liegen, als ich mich auf den Erkundungsweg begab, wie immer begleitet von meiner treuen Kamera.
Unweit des Marktplatzes entdeckte ich eine Buchhandlung, der ich ein interessantes Motiv entlocken wollte. Zwar sieht jede Fußgängerzone in Deutschland demnächst gleich aus mit ihren Kaufhöfen, H und Ms, Saturns, Schleckers und immergleichen Handyläden, unterscheiden tun sich aber noch die Buchhandlungen, wenngleich nur in Details. Genau die faszinieren mich. Im vorliegenden Fall gefiel mir die Mischung aus universitären (ein Aufsteller “Kunst + Wissen”), bildungsbürgerlichen (ein Plakat “Lesen heißt träumen”) und regionalen (ein Buch “Schwäbische Alb”) Inhalten:
Nichtsdestotrotz wird man in jeder Buchhandlungauslage mindestens einen aktuell diskutierten deutschen und einen viel gelesenen amerikanischen Autor finden. Ich war neugierig, wer es hier sein würde und tippte auf Martin Walser und Paul Auster, fand aber die Günter Grasssche Zwiebelautobiographie und T.C. Boyles Gehörlosenroman.
“Auch gut”, dachte ich und wollte schon weitergehen, als mein Blick auf das Buch neben T.C. Boyle fiel. Es trug den Titel Fast nichts über das Nichts. Auf dem Cover war eine altertümliche Schreibmaschine abgebildet, in der ein Blatt Papier eingespannt war, auf dem – wohl als eine Art Untertitel – die Worte Ein Scheitern in Briefen zu lesen waren.
“Ein neues Nichts-Buch!”, jubilierte ich, denn das verhieß Stoff für dieses Blog, und betrat flugs die Buchhandlung, um das Kleinod zu erstehen. “Wollte betreten”, sollte ich sagen, und ihr müsst euch den akustischen Teil des Zusammenpralls von Hirnschale und Panzerglas dazudenken, denn selbstverständlich war der Laden feiertagshalber geschlossen.
Gehirnerschüttert, aber dennoch wild entschlossen suchte ich das nächstgelegene Internetcafé auf und machte mich auf die Suche nach dem Büchlein. Die nächstbeste Suchmaschine brachte mich auf die Internetseite eines “MV-Verlags”, von dem ich noch nie etwas gehört hatte, der aber offensichtlich das Buch in einer Reihe namens “Octopus” vertreibt. Und musste dort folgendes lesen:
Und jetzt muss ich mal folgendes anmerken:
Dass jemand ein Buch über Nichts schreibt: In Ordnung.
Dass die Protagonisten Peter und Paul heißen: Denkbar.
Dass dazu der Modus eines Briefwechselns gewählt wird: Ungewöhnlich.
Dass eine Frau Netzinger darin vorkommt. DAS KANN KEIN ZUFALL SEIN!
Ich werde das Buch bestellen. Und sollte sich herausstellen, dass darin UNSER Briefwechsel abgedruckt ist, dann werde ich den Herren Brenner und Eder aber sowas von heimleuchten, das hat die Welt noch nicht gesehen!
Geschockt und gegebenenfalls auch heftig erbost:
[Peter]