Schon wieder Nichts gehört

Das neue Album des jungen Songwriters Hannes Wittmer alias Spaceman Spiff trägt den schönen Titel „endlich nichts“, enthält neben anderen die Lieder „Der Tag an dem ich nicht verrückt wurde“ und „Nichtgeschwindigkeit“ und ist auch sonst nicht zu verachten.

Spaceman Spiff singt zwar gern über Nord-, aber manchmal auch in Süddeutschland, und aus bester Erfahrung sei allen Lesern nahe gelegt, die Gelegenheit eines Konzertbesuchs nicht zu verpassen!
[Paul]

Treppe ins Nichts

Nichts geht mehr, so scheint es, ohne unseren Leser Klaus, der nicht nur in Stralsund, sondern auch in Ludwigshafen Nichts findet:

[Peter]

Tu nichts!

Sollten wir am morgigen 16. Januar hier nichts veröffentlichen, dann wäre das ausnahmsweise nicht auf den Kollegen Zufall, sondern auf den Umstand zurückzuführen, dass wir die 40. Wiederkehr des Nothing Day feiern (nicht zu verwechseln mit dem Buy Nothing Day sehr viel später im Jahr).

Aber wäre es nicht konsequenter, diesen Tag nicht etwa zu zelebrieren, sondern zu ignorieren?

[Peter]

Nichts begreifen (oder auch nicht)

Janne Teller, Nichts

Ein Streitgespräch.

Peter: Mein lieber Paul, sag, warum hast du eigentlich neulich unseren Lesern verschwiegen, dass du Janne Tellers “Nichts” selbst schon gelesen hast?

Paul: Weil ich nach mittlerweile sogar mehrfacher Lektüre nicht sicher bin, was es darüber zu berichten gäbe. Habe ich bloß nichts begriffen und Nichts ist großartig, oder habe ich Nichts begriffen und nichts daran ist der Rede wert?

Peter: Nichts ist nicht großartig, aber der Rede wert. Du hast nicht nichts begriffen, aber auch nicht genug von Nichts.

Paul: Sicher weiß ich bloß, wenn die Aufgabenstellung lautete, eine Geschichte zu schreiben, die um Aufnahme in den Oberstufenliteraturkanon bettelt, dann hat Frau Teller mit Auszeichnung bestanden: Über diesen Plot wird man als junges Mensch diskutieren können, bis die Gehörgänge glühen. (Insofern wäre ich bei jener Schulveranstaltung gern ein Mäuschen gewesen.) Aber lohnt sich die Mühe der Mundbewegung? Im Grunde ist die Story doch im mindestens elften Monat bedeutungsschwanger, ohne dass wir jemals erfahren, ob’s nun ein Junge oder ein Mädchen wird – oder doch nur eine Maus.

Peter: Du sagt es doch selber: Das ist für Jugendliche geschrieben. Da darf man auch mal ein bisschen plakativer sein. Vielleicht musst du sogar ein wenig zwischen den Zeilen lesen …

Paul: Was wäre denn da noch zu finden zwischen all den plakativen Zeilen? Womöglich eine Erkenntnis, und wenn ja: welche? Über Zweidrittel der Strecke war ich sicher, da kommt noch eine; aber mit dem Finale war’s vergeigt. US-Museum, weltweiter Medienrummel, pah! Und die Moral von der Geschicht? Was keiner zahlt, das lohnt sich nicht. Pardon, aber das ist nicht plakativ, sondern platt. Und eine ziemlich fragwürdige Botschaft an die nächste Generation: Die materielle Komponente wäre demnach die einzig Bedeutung stiftende.

Peter: Na gut, fangen wir mit dem Schluss an: Mit dem “Berg der Bedeutung” und seiner Bildsprache. Der setzt sich nämlich zunächst aus kleinen Habseligkeiten zusammen, dann aus immer wichtiger und persönlicher werdenden Dingen. Er wächst, wird gewichtiger, wird größer, gewaltiger, um doch immer wieder hinterfragt zu werden. Könnte man schon am Anfang des Buches diesen Berg sehen, würden die Kinder gleich gar nicht damit anfangen, ihn zusammenzustellen. Und dennoch ist er bei all seiner Größe am Schluss doch wieder bedeutungslos. Oder eben nicht. Oder doch. Oder nicht. Und das ist doch die unentwegte Frage: Ab wann ist die Bedeutung groß genug? Gibt es sie je, diese Größe?

Paul: Wenn du schreibst, “um doch immer wieder hinterfragt zu werden”, dann hast du zwischenzeilig anderes gelesen als ich. Mein Eindruck nämlich, vielleicht auch gestützt durch den allzu lakonisch-distanzierten Stil, war, dass mit dem Anwachsen des Berges das Hinterfragen immer weniger wurde. Da steigern sich alle Beteiligten in eine beängstigende Teilnahmslosigkeit hinein und geben dem arglosen Leser so gar keine Handreichung, vielleicht doch irgendwo irgendeine Bedeutung zu finden. – Ja, ich glaube, das ist es, was mich am meisten stört: Hier wird, nach zunächst vielversprechender Fragestellung, ein Nihilismus glorifiziert, dass selbst gestandene Mannsbilder nach der Lektüre spontan aufspringen und in die finsterste Ecke des Waldes eilen möchten, um sich daselbst zu entleiben – wie soll denn erst ein von pubertärem Hirnschwamm geplagtes Jungmensch mit derart ausufernder Hoffnungslosigkeit umgehen?

Peter: Der Witz ist doch gerade, dass die pubertären Hirnschwämme voll sind von diesem Nichtsbezug. Zukunftsangst, Sinnsuche, Körperfindung, Hinterfragen von Religion, die Entdeckung der Abgründe eines Erwachsenenlebens, der Abschied von der reinen Kindheit – all das sind Nichtssauger erster Güte. Und darum holt das Buch die Jugendlichen genau da ab, wo sie gerade stehen. Im Gegensatz zu irgendwelchen Teenager-Ersatzideologien, wie sie die Vampirgeschichten von Stephenie Meyer oder “Super”stars wie Miley Cyrus anbieten, werden hier die Kids aber ernst genommen.

Paul: Ernst genommen? Vor allem werden sie mit ihren drängenden Fragen allein gelassen. Aber vielleicht ist ja gerade dies das Raffinierte, dass sich das Sujet in der Leseerfahrung spiegelt – hat dieses Buch eine Bedeutung, für wen und aus welcher Perspektive?

Peter: Eben. So gesehen kann man dem Buch zugute halten, dass es die richtigen Fragen stellt, ohne sie explizit zu stellen oder gar zu beantworten. Das macht dann der Deutschlehrer.

Paul: Wollen wir’s hoffen … Denn “Nichts” ohne kompetente pädagogische Begleitung auf ein pubertierendes Hirn loszulassen grenzte ans Kriminelle.

Peter: Nun übertreibst du’s aber, mein lieber Paul … Wenn’s übrigens ein guter Lehrer ist, lässt er die Kids von allein auf die entscheidenden Fragen kommen. Und wenn er richtig gut ist, geht er noch ein Stück weiter und lässt die Schüler das Buch auch sprachlich sezieren, um ihnen abschließend die Frage zu stellen, ob Jugendbücher wirklich so holzschnittartig sein müssen, um zu funktionieren. Ich glaube nämlich nicht. Vielleicht ist “Nichts” aber auch bewusst so geschrieben, dass es auch als Schülertheater umgesetzt, als Schulfilm verwirklicht und als Schulcomic gezeichnet werden kann. Warten wir mal ab, was Hollywood sagt.

Paul: Muss ja nicht Hollywood sein – Michael Haneke könnte aus dem Stoff auch was machen.

Peter: Oder Michael Haneke in Hollywood.

Paul: Amen.

Nichts gehört

… habe ich bisher von Salvatore Sciarrino. Doch das dürfte, folgt man diesem Artikel bei ZEIT online, ein Versäumnis sein, handelt es sich doch offenkundig um den potenziellen zeitgenössischen Lieblingskomponisten eines jeden Nihilophilen:

“Was nicht erklingt, scheint genauso bedeutsam zu sein wie das, was erklingt. Die Vortragszeichen in den Partituren sind bezeichnend: Pianissimo steht da, Mezzopiano, ein kurzes Fortissimo und gleich wieder dreifaches Pianissimo. Aus dem Nichts und Ins Nichts sind für den 1947 geborenen Sizilianer entscheidende Kategorien.”

Und jetzt möge mir der geneigte Leser nachsehen, dass ich nicht in den einschlägigen Portalen recherchiere, ob dort womöglich eines von Maestros besonders nichtslastigen Werken in Dutzenden Halbminütern ruckelfilmisch dokumentiert ist …

[Paul]

Nichts im Bild (Berlin-Edition)

Als einer der Nichtsblog-Autoren unlängst in der Hauptstadt weilte, verfehlte er Peter zwar knapp und mich noch knapper (oder war es umgekehrt?), fand immerhin aber reichlich Nichts, wo mal was war, welches willens war, sich vor seiner Kamera in Szene zu setzen:

nichtsinberlin_1

nichtsinberlin_2

nichtsinberlin_3

[Paul]

Nichts für Harmoniesüchtige

Während die einen noch knuddeln, ist anderswo schon der Aufstand am Kommen. Und er kommt ziemlich nichtslastig daher; mit insgesamt 58 Vorkommen des Wortes “Nichts” und weiteren 256 Treffern für “nicht” im gerade einmal 92 Seiten schlanken PDF. Darunter Perlen wie diese:

“Nichts ist wahr” sagt nichts über die Welt, aber alles über das abendländische Konzept von Wahrheit

.
Oder diese:

Dieses Nichts zu vernichten hat nichts von einer traurigen Aufgabe.

Zum reinrassigen Nichtsbuch fehlt ihm wohl der Nichts sagende Titel, aber dennoch: Wenn das nicht Nichts ist, dann weiß ich’s auch nicht …

[Peter]

Nichts bezahlen (und trotzdem gut essen)

Wenn man nicht immer alles sofort guglt … Ziemlich lange nahm ich an, dass Freeganismus eine Erfindung von Science-Fiction-Autoren sei. Falsch angenommen: Es gibt sie offensichtlich wirklich, die Leute, die sich nicht aus schierer Not, sondern aus Prinzip ihre Lebensmittel per Dumpster Diving beschaffen, also im Müllcontainer des Supermarktes nach nicht mehr Verkäuflichem und dennoch Genießbarem graben. Sie haben sogar ihren eigenen Eintrag in der deutschsprachigen Wikipedia, können also nicht ganz irrelevant sein; und zumindest jenseits des großen Teichs bringen es manche ihrer Fürblogger/innen augenscheinlich zu gewisser Prominenz.

Halloween-Party? Gefundenes Fressen! (Bild: frugan living)

Halloween-Party? Gefundenes Fressen! (Bild: frugan living)

Nun fragt man sich unwillkürlich, ob nicht in einer Gesellschaft, die existenzielle Armut nicht nur vom Hörensagen kennt, Post-Verfallsdatums-Lebensmittel eventuell besser bei den lokalen Tafeln aufgehoben wären; aber vielleicht haben die weltanschaulichen Freeganisten ja doch Recht, und indem man aus der Zweckentfremdung von Abfall ein Happening macht, sensibilisiert man die Massen eher für die Problematik als mit konventionellem Gutestun …

[Peter]

Nichts dahinter

Auf eine besonders eigenwillige Variante der Altbausanierung wurden wir unlängst bei Klaus aufmerksam: Nur eine dekorative Fassade blieb von diesem Kufsteiner Haus erhalten, aber nichts mehr dahinter.

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Einmal sensibilisiert für derlei Potemkinsche Traditionspflege, mussten wir allerdings feststellen, dass dies keine Tiroler Spezialität ist, nein: in Norddeutschland kann man das auch.

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Vielen Dank an Klaus für die Erlaubnis, sein Foto zu verwenden!

[Peter]

Nicht(s-)Literatur

Nicht einmal die imaginäre Literatur kommt ohne das den Topos des Nichts aus:

He, ich kannte dieses Buch sogar, wenn auch nur oberflächlich! Es handelte sich um Nichts von Bedeutung von Orkos von Dannen, das Zentralwerk des Gralsunder Egalismus. […] Es ist völlig gleichgültig, ob Sie dieses Buch lesen oder nicht, war der erste Satz, der mich jedesmal davon abgehalten hatte, mit der Lektüre fortzufahren.

Und auch dieses Mal kommt Hildegunst von Mythenmetz, der Ich-Erzähler in Walter Moers’ Stadt der Träumenden Bücher, über den ersten Satz nicht hinaus. Was sehr bedauerlich ist, denn als Metaleser hätte ich ihm gern noch ein wenig beim Blättern über die Schulter geschaut.

[Paul]

Nicht nix. Nix.

Bekanntlich kann man als nichtswürdiger Erziehungsberechtigter nicht früh genug damit anfangen, Kinder an die Nickligkeiten des Nichtswesens heranzuführen. Ganz unterhaltsam gelingt das zum Beispiel mit “Verflixt – ein Nix” von Kirsten Boie. Zwar geht es darin nicht um das Nix, sondern um den Nix, einen Seejungmann nämlich, aber das Wortspiel Nix / nix wird durchaus genüsslich ausgeschlachtet. Hübsches Sprachakrobatik-Training für die lieben Kleinen im Vorlese-/Erstlesealter, und wie sich das für gute Kinderbücher gehört, gibt es auch für die Großen über Nix was zu lachen.

[Paul]